Beim Essen kommen d`Leit z´samm ….und bei Seminaren auch!

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Beim Essen kommen d`Leit z´samm ….und bei Seminaren auch!

Das Thema Ernährung, Essen, Kochen beschäftigt uns beide: Helga Gumplmaier und Lisa Kolb-Mzalouet;  deswegen haben wir für diesen Blogartikel zusammengearbeitet und schreiben aus unserer jeweiligen Perspektive:

 

Beim Essen kommen d´Leut z´samm! … von Helga

 

Der Titel „Beim Essen kumman d’Leut z’samm“ soll die Idee vermitteln, dass beim Essen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam Zeit zu verbringen, sich auszutauschen und die Gesellschaft zu genießen, er soll aber auch den Gedanken widerspiegeln, dass Kochen und Essen Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund zusammenführt. Gleichzeitig tragen wir, die im Überfluss leben auch Verantwortung dafür, dass in anderen Regionen Menschen ums tägliche Essen kämpfen.

In meinem Heimatort Zell am Moos, ein Dorf am Irrsee mit 1600 Einwohner*innen, leben Menschen mit mehr als 30 verschiedenen Nationalitäten, noch viel mehr haben migrantischen Hintergrund, sind aber längst zu „Einheimischen“ geworden. „Ich bin ein waschechter Zell am Mooser, aber meine Eltern waren Flüchtlinge“, eröffnete mir ein Nachbar und verriet mir ein „Franztaler-Rezept“ aus der Heimat seiner Eltern. Mitten im Ort haben wir seit 35 Jahren ein Flüchtlingsquartier. Ein großer Arbeitgeber beschäftigt Arbeitnehmer*innen aus mehr als 20 verschiedenen Ländern. Diese Menschen zu integrieren, eine Herausforderung für eine kleine Gemeinde! Was liegt also näher als den obengenannten Slogan mit Leben zu füllen und diese Vielfalt über das Kochen und Essen zusammenzuführen und so das Verständnis füreinander zu fördern. Auf dieser Gedankengrundlage entstand ein Buch, das mehr ist als ein Kochbuch, es erzählt menschliche Geschichten.

Neugierig sein ist Wertschätzung

Ich koche gerne, ich esse und genieße gerne, ich bin neugierig auf unbekannte Gerichte. Letzteres bekam ich von meiner Mutter vorgelebt. Bis ins hohe Alter sammelte sie Rezepte und probierte sie aus. Kochen war ihre Leidenschaft. Gastfreundschaft und gemeinsames Essen waren in unserer Familie sehr wichtig.

Als ich im Gemeinderat von Zell am Moos die Agenden für Kultur und Integration übernahm, kam mir bald der Gedanke, dass Essen Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenführen kann.  2016 organisierten wir beim Dorffest erstmals einen „Weltenküchestand“. Der Erfolg gab uns recht – Essen verbindet Menschen und Kulturen. Neben Hendl, Schnitzel, Spanferkel und Leberkäs waren die „fremden“ Köstlichkeiten, wie Hummus, Falafel, Börek, Kabulih schnell der Renner. So mancher „Dasige“ sprach zum ersten Mal mit einem/einer „Zuagroasten“.

Der Austausch von Rezepten ist eine wertschätzende Möglichkeit, die Integration von Zugewanderten zu fördern und das Verständnis zwischen Einheimischen und Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Durch das Teilen von traditionellen Gerichten und Kochtechniken lernen beide Seiten die kulturellen Hintergründe und Geschichten hinter den Speisen kennen. Das schafft eine gemeinsame Basis, auf der man sich austauschen und gegenseitig besser verstehen kann. Gemeinsam zu essen ist Wertschätzung pur.

Kochen ist emotionale Verbundenheit mit der ursprünglichen Heimat

Als Vorsitzende des Kultur-und Integrationsausschusses von Zell am Moos suchte ich das Gespräch und erfuhr, neben den Rezepten, so manche spannende und emotionale (Lebens)Geschichte. So unterschiedlich die Wege sind, die die Menschen hierhergeführt haben, so ähnlich sind die Gefühle und Gedanken, die von der heimatlichen Küche hervorgerufen werden. „Kochen habe ich erst hier gelernt, weil ich wollte wieder einmal etwas Orientalisches zwischen den Zähnen haben“ oder „Ich liebe Schnitzel und Leberkäse, aber ab und zu brauche ich afrikanischen Geschmack auf meinem Gaumen“, „Wenn ich marokkanisch koche, ist das wie eine Reise in die Heimat ohne ins Flugzeug zu steigen“, solche und ähnliche Zitate beschreiben die Emotionalität, die hinter der mitgebrachten Esskultur steckt.

Die Menschen, die bei uns leben, haben eine Geschichte, ob hier geboren, ob aus anderen Regionen zugewandert, und sie haben Familie. Ihr Weg an den Irrsee ist höchst individuell. Und alle, die ihn gegangen sind, bereichern die Region mit Rezepten aus der ursprünglichen Heimat. Alle „Zuagroasten“ bringen ihre Küche mit. In Verbindung mit der traditionellen örtlichen Kochkultur ergibt dies ein köstliches Buffet, das seinesgleichen sucht.

Was ist dein Lieblingsrezept aus deiner ursprünglichen Heimat? Was brauchst du dafür, wo gibt es die Zutaten zu kaufen, wie wird das Gericht zubereitet? Woran erinnert es dich, wenn du es kochst bzw. isst? Wie schmeckt deine alte Heimat? Welche Gerüche erinnern dich an deine Herkunft? Von wem hast du das Rezept gelernt? Was hat dich nach Zell am Moos geführt? Der Zufall? Die Liebe? Die Arbeit? Die Landschaft?

Die Antworten auf diese Fragen, Rezepte und Geschichten sind in einem Kochbuch vereint, als Blick über den Tellerrand hinaus, als Würze für unseren gewohnten Suppentopf.

Die Pizza ist eine Migrantin!

Dies erzählte ich vor kurzem in einer Gruppe von 30 Volksschulkindern. Kurzes Staunen, dann offerierten sie mir unzählige „zugewanderte“ Speisen, die es in Österreich nicht gäbe, hätten nicht „Migranten“ sie mitgebracht.

In Österreich leben Menschen aus über 180 verschiedenen Herkunftsländern. Sie bringen ihre vielfältigen Esskulturen mit und bereichern so das kulinarische Leben. Durch ihre traditionellen Gerichte, Gewürze und Kochtechniken erweitern sie das Angebot an Speisen und sorgen für eine spannende Vielfalt. Das führt dazu, dass man in Österreich heute nicht nur die klassischen österreichischen Spezialitäten genießen kann, sondern auch Gerichte aus aller Welt, wie zum Beispiel asiatische, afrikanische, arabische oder lateinamerikanische Küchen. Unter den Kindern zählt die Pizza ja schon zum österreichischen Kulturgut, in meiner Kindheit musste man noch nach Italien fahren um eine Pizza zu essen.

Österreich i(s)t bunt! Tatsache und Wunschtraum gleichzeitig?!

Gemeinsames Kochen und Essen fördert das Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Es ist eine freundliche und offene Art, Brücken zwischen verschiedenen Kulturen zu bauen, Vorurteile abzubauen und die Vielfalt zu feiern. Insgesamt trägt der Rezeptaustausch dazu bei, kulturelle Unterschiede sichtbar zu machen und gegenseitige Wertschätzung zu zeigen. Der Leberkäs ist nicht bedroht, wenn es auch ein Kebabstandl gibt, das Schnitzel wird nicht abgeschafft, wenn ich auch ein Thai-Curry essen kann.

Wie wäre es, wenn nicht nur die verschiedenen Esskulturen miteinander verbinden und so das kulinarische Erlebnis für alle bereichern, sondern auch die dazugehörigen Menschen neugierig, offenherzig und wertschätzend empfangen werden? Wenn wir durch Kauf-und Essgewohnheiten auch unsere Verbundenheit mit jenen Menschen zeigen, die mit ihrer Arbeit unsere Lebensmittel produzieren?

….und bei Seminaren auch!!   …von LISA

Wie organisierst du das Essen bei Seminaren?

Was bietet das Bildungshaus an? Oder der Wirt ums Eck?

Welche Snacks für zwischendurch gibt es?

Diverse Esser*innen

Inzwischen kann es schwierig sein die verschiedenen Essenswünsche zu berücksichtigen, die Seminarteilnehmer*innen aufgrund von Gewohnheiten, gesundheitlichen Themen und politischen Haltungen mitbringen. Das ist ein Thema, das in der Seminarplanung, spätestens aber beim (1.) Seminar berücksichtigt werden soll. Essen kann verbindend wirken aber auch ausschließend, insofern ist das Essen bei Seminaren, das eigentlich in den Pausen stattfindet, ein wichtiger Bestandteil des Seminars; Essen, das verbindet und entspannt, bietet eine wichtige Basis für ein stressfreies Lernen beim Seminar.

Essen ist Lebensmittel!

Was wir essen wirkt in uns, es stärkt uns, kann uns aber auch schwächen, es kann „im Magen liegen“ und “schwer“ sein und „drücken“, es kann zu viel sein oder zu wenig, es kann uns “aufdrehen“ oder schläfrig machen., u.v.a.m. Was wir essen, hat unmittelbare Auswirkung auf unsere Lebendigkeit und mittelfristig auf unsere Gesundheit. Wie passt also das, was wir im Seminar vermitteln, mit dem Essen zusammen?

Die Lebensmittel, die wir essen – auch beim Seminar – haben eine Auswirkung im Körper der Teilnehmer*innen und in der Seminargruppe, sie wirken aber noch viel weiter: Regionales Essen wirkt in der unmittelbaren Umgebung, Bäuer*innen und Lebensmittelproduzent*innen „haben etwas davon“, der regionale Wirtschaftskreislauf wird dabei gestärkt. Vielleicht kennen wir sogar die Menschen, die die Lebensmittel produzieren, sich um Feld und Tiere sorgen, Naturprodukte weiterverarbeiten. Regionalität von Lebensmitteln bedeutet auch, dass Transportwege kurz sind und damit die Lebensmittel frischer geliefert werden können, – UND bedeutet, dass weniger CO2 produziert wird; somit ein wichtiger Beitrag zur Erreichung die Klimaziele. Die Achtsamkeit dafür ist ein wichtiges Zeichen für Seminarteilnehmer*innen.

Essen bringt alle zusammen – auch die, die nicht am Tisch sitzen

Schokolade und Keks ohne Palmöl?

Das nehme ich mir jedesmal vor und es ist eine Aufgabe im Supermarkt Produkte zu finden, in denen kein Palmöl enthalten ist. Sogar der Mohnstrudel aus dem Waldviertel enthält Palmöl! Damit enthält der Mohnstrudel aber auch Öl, für das Urwälder gerodet werden. Das bedeutet, dass Menschen und Tiere, die dort leben wo Ölpalmen angebaut werden sollen, vertrieben werden. Der ursprüngliche Wald wird niedergebrannt, Menschen und Tiere müssen flüchten und sterben.

Und die Schokolade, die wir alle seit der Kindheit kennen? Oft steckt Kinderarbeit drinnen – leider noch immer. Denn Kleinbäuer*innen können von den Kakaofrüchten, die viel „Handarbeit“ brauchen, nicht mehr leben. Kinder sind billiger! Mit Macheten schlagen sie die Kakaofrüchte auf, Verletzungen sind an der Tagesordnung, sie sind Pestiziden ausgesetzt, sie schleppen schwere Kakaosäcke, sie werden verschleppt und entführt, um als Arbeitskräfte eingesetzt zu werden; die glücklich aussehenden Kinder in der Schokoladewerbung, sie wissen sicher nichts von den Schicksalen ihrer Altersgenossen!

Es gibt in den Supermärkten auch Produkte, die fair gehandelt werden und auch solche ohne Palmöl und „Faire Schokolade“, Gemüsesticks, Nüsse und Obst sind willkommene Pausensnacks. Mir ist es wichtig, dass wir bewusst essen, dass wir dankbar sein können, allen Menschen, die an unserem Essen beteiligt sind, in der Bepflanzung, Anbau, Ernte, Verarbeitung, Transport, Handel….

Dankbarkeit ist ein gutes Lebensmittel! Und sie verbindet uns!

„Beim Essen kommen d`Leit z´samm“ – ein Kochbuch vom Irrsee mit Blick auf die Welt

Preis: 26 Euro

Zu bestellen bei Helga Gumplmaier: h.gumplmaier@agb-seminare.at

Logoleiste Förderer Kochbuch kl

Helga Gumplmaier

Mag. rer.soc.oec., Soziologin, Lebens‑ und Sozialberaterin mit Fokus auf Coaching, Supervision und Training – abklopfen auf den Punkt, null Gelaber. Als Lehrtrainerin für Lebens‑ und Sozialberatung sowie Supervision und Lehrsupervisorin weiß sie, wie man Menschen wirksam weiterbringt. Ihr eigenes Bildungsinstitut INTEGRAL – Institut für Leben & Raum zeugt davon, dass sie nicht nur Theorie liefert, sondern Räume schafft, in denen Entwicklung passiert.

Lisa Kolb‑Mzalouet

Mag.a (FH), DSA, Sozialarbeiterin, Theaterpädagogin – die Kunst des Theaters ist nicht Selfie‑Bühne, sondern Ausdruck, gelernt im echten Leben. Sie leitete den Bereich Theaterpädagogik bei AGB, mischt Erwachsenenbildung mit Diversity‑Kompetenz und bringt also richtig Farbe und Tiefe rein. Dazu engagiert in der NGO Südwind – Haltung, die man spürt.