Storytelling in Teamsupervisionen und Teamtrainings

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Storytelling in Teamsupervisionen und Teamtrainings

In einer Gesellschaft, in der „Zeit“ ein immer wieder knapp bemessenes Gut ist und in denen durch veränderte Kommunikationstechnologien auch Erzählungen kürzer, knapper und mit Emojis versehen werden, kann ein bewusst eingesetztes „Storytelling“ Entlastung, Freude und Verbundenheit unter Menschen bringen – zum Beispiel innerhalb von Arbeitsteams.

Dazu gibt es in diesem Beitrag zu Beginn Theorie und im Anschluss praktische Beispiele für den Einsatz von Erzählungen. Diese stammen aus meiner Arbeitspraxis mit Teams in Supervisionen und Trainings (vgl. Pawlata, 2025, S. 173 f.).

Theorie zum Storytelling für den Anwendungshintergrund

Menschen haben sich seit jeher Geschichten erzählt. Erzählungen unterhalten, bewegen und verzaubern, können Gefühle erwecken. Erzählungen können Erfahrungen und Wissen vermitteln, genauso wie eigene Emotionen und Denkweisen. Daher werden Erzählungen – vor allem unter der Bezeichnung „Story¬telling“ – (wieder-)entdeckt und zunehmend beispielsweise von Werbung, in Trainings oder von Psychotherapeut:innen genutzt. Oder können für Supervisionen eingesetzt werden.

Unter „Erzählen“ wird die kulturelle Praktik von Menschen ver¬standen, vergangene, zukünftige und potentielle Handlungen und Ereignisse fassbar zu machen und zu verstehen. Anhand von Erzählungen werden soziale Beziehungen reflektiert und Wirklichkeiten generiert. Diese Wirklichkeiten werden interpretiert, um zu einer Erklärung zu kommen, wie etwas stattgefunden hat, hätte sein können oder wie etwas sein wird (vgl. Tecklenburg, 2016, S. 21 f.).

Geschichten werden gehört – und weitererzählt. Tecklenburg zitiert dazu den Philosophen Walter Benjamin: „Der Erzähler nimmt, was er erzählt, aus der Erfahrung; aus der eigenen oder berichteten. Und er macht es wiederum zur Erfahrung derer, die seiner Geschichte zuhören“ (Tecklenburg, 2016, S. 58).

Geschichten sind „für das menschliche Gehirn offenbar die einfachste Form, Informationen zu verarbeiten, wie Untersuchungen der Kognitionspsychologie nahelegen“ (Friedmann, 2019, S. 10).

Erzählte Geschichten können von den Zuhörer:innen durch die Emotio¬nali¬sierung der Erzählung und die empathische Spiegelung im wahrsten Sinne des Wortes miterlebt werden. Dabei werden sowohl bei den Erzählenden wie auch bei den Zuhörer:innen die gleichen Wirkungen erzählt: Hirnareale werden stimuliert, die auch beim realen Erleben der entsprechenden Handlungen und Ereignisse aktiv sind.

Damit haben Storyteller:innen und ihre Geschichten einen großen Einfluss auf Diskurse und damit auf Menschen und ihre Umgebung, wodurch Storyteller:innen eine gesellschaftliche Verantwortung für ihre erzählten Geschichten tragen (Friedmann, 2019, S. 195).

Kalisch merkt aus Sicht der Neurowissenschaften hinsichtlich der Tradition des mündlichen Erzählens an, dass diese ein Weg für Schaffung positiver Sichtweisen ist. Erzählte Geschichten in der sozialen Gruppe (wie eine Familie oder ein Team am Arbeitsplatz) schaffen eine positive Kultur und damit positive Bewertungen. Darüber hinaus braucht es für Kalisch auch die Fähigkeit zur Um- und Neubewertung: Im vermeintlich Schlechten, das einem widerfährt, etwas Gutes zu erkennen und daraus Entspannung, Erholung und Freude zu schöpfen (vgl. Kalisch, 2020, S. 183 f.).

Praktische Beispiele: Storytelling zum Einstieg

Das Teilen von persönlichen Geschichten kann eine positive Wirkung auf das Team­klima haben, so können Geschichten z.B. eine Vorbildwirkung haben. Manche Menschen haben mehr Scheu, manche weniger, um in einer Runde (wie bei einer Team­super­vision) vor anderen zu erzählen. Daher unterstütze ich in Teamsuper­visionen und im Rahmen der Begleitung von Teamklausuren die Teilnehmer:innen dabei, ihren Einstieg ins Erzählen zu finden. Als wichtig empfinde ich dabei, dass kurze Erzählungen aus dem Lebensalltag gegriffen werden – unterstützend für eine kleine Geschichte sind die Fragen „was“, „wann“, „wo“, „mit wem“ und „welche Gefühle löst das Erlebte aus“.

Ausgangsfragen dazu können sein:

  • Was ist dein Lieblingsspiel? (Aktuell oder aus der Kindheit; PC-, Brett- oder Karten­spiele; Spiele mit Sportbezug)
  • Was ist dein liebstes Reiseziel und wie reist du am liebsten? Was schätzt du daran?
  • Was schätzt du an deiner Arbeit am meisten?
  • Was war in den letzten vier Wochen ein „Magic Moment“ in deiner Arbeit – was hat dich auf der Gefühlsebene berührt?
  • Was ist ein mögliches Alleinstellungsmerkmal von dir in deinem Team? (Als Bei­spiel dazu nenne ich immer, dass ich Mitglied im Eurovisions Song Contest Fanclub bin und dies ein mögliches Alleinstellungsmerkmal ist)
  • Welchen Filmtitel (oder welches Filmgenre) gibst du dem vergangenen Arbeits­jahr?
  • Was ist für dich eine Energiequelle, was kräftigt dich?

Storytelling zur Themenfindung

Wird im Rahmen einer Teamsupervision kein aktuelles Thema vom Team selber genannt, schlage ich gerne Themenimpulse vor und lasse die Teammitglieder dazu erzählen. Durch das Erzählen entstehen entweder Fragen bei den Kolleg:innen oder bei mir. Impulsfragen können sein:

  • Nervende oder Ärger auslösende Situationen mit Klient:innen: Wie geht ihr mit so einer Situation um, so dass diese weniger aufreibt?
  • Eine gelungene/positive Fallgeschichte: Was ist mein Anteil daran, dass Klient:innen etwas gelungen ist? Welche Arbeitshaltung von mir ist dabei unter­stützend?
  • Ich lege eine Feder und einen Stein in die Sesselkreismitte: Was geht gerade leicht in der Arbeit, was ist gewichtig?
  • Mein derzeitiges Verkehrstempo – in welchem Tempo seid ihr in der Arbeit gerade unterwegs? Es gibt vier Möglichkeiten: Autobahn, Landstraße, Fuß­gänger:innen-Zone oder Stau.
  • Vorbilder für meine Arbeit – von wem nehme ich mir etwas mit? Wer ist für mich Vor­bild? Durch Erzählungen dazu können auch Rückmeldungen an die Team­kolleg:innen entstehen.

Im Prozess während einer Teamsupervision

Rund um Metaphern, Bilder und Objekte können Erzählungen aufgebaut sein – z.B. mit Vergleichen zu einem Fußballteam oder einem Orchester, mit Alltagsgegenstände oder Emotionen als Ausgangspunkt einer Geschichte. Bei Geschichten mit gewählten Metaphern ist der Transfer von der Metapher in die Realität des Teams essentiell. Zum Beispiel, wenn das Team wie ein Orchester erlebt wird: „Wer spielt welches Instrument, welchen Stil haben die ausgewählten Musikstücke? – Und was bedeutet das für das Team?“

Im Rahmen von Fallsupervisionen unterstützt ein Storytelling die Fokussierung auf konkrete Situationen in der Fallgeschichte. Es kann dem Team leichter fallen, in einen Fall und eine genaue Problemstellung einzutauchen, umso wiederum Bedeutungen und Handlungsoptionen für alle sichtbarer zu gestalten.

In der Anwendung von Story­telling entstehen durch Worte und innere Bilder bei den Mitgliedern eines Teams. Dadurch werden Bedeutungen von Konflikten, gemeinsame Vorstellungen von Teamarbeit oder kollektive Leitbilder in der Beziehungsarbeit mit Klient:innen entwickelt, die der Orientierung und der Motivation dienen.

Storytelling zum Abschluss einer Teamsupervision

Am Ende einer Supervision oder eines Teamtrainings lasse ich alle Teilnehmenden (z.B. als Ausblick) noch eine kurze Geschichte erzählen. Impulse dafür können sein:

  • In der Weihnachtszeit: ein „Wunsch ans Christkind“
  • In der Sommerszeit: eine Vorfreude auf den Sommer oder ein kleiner Wunsch an sich selbst für den Urlaub
  • Was nehme ich mir von heute mit?
  • Eine Umsetzungsmöglichkeit des heute Erfahrenen: Wie setze ich was, wann und wo davon um und wer könnte mich dabei unterstützen?

Literatur

Friedmann, Joachim (2019). Storytelling. Einführung in Theorie und Praxis narrativer Gestaltung. UVK Verlag.

Hettenkofer, Brigitte (2023). Team-Resilienz. Das Geheimnis robuster, optimistischer und lösungsorientierter Teams. BusinessVillage GmbH.

Huber, Monika (2019). Resilienz im Team. Ideen und Anwendungskonzepte für Teamentwicklung. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Kalisch, Raffael (2020). Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen. Neueste Erkenntnisse aus Hirnforschung und Psychologie. Piper Verlag GmbH.

Pawlata, Stefan (2025). Ist Theater nur ein Spiel? Zur Wirksamkeit und zum Bedarf theaterpädagogischer Methoden in der Reflexionsarbeit mit Teams. ibidem Verlag.

Tecklenburg, Nina (2014). Performing Stories. Erzählen in Theater und Performance. Transcript.

Im modularen Theaterpädagogik Lehrgang mit 11 Modulen werden Methoden und Konzepte vermittelt, um mit Menschen in verschiedenen Kontexten Theater zu spielen.

Stefan Pawlata

ist Theaterpädagoge, Supervisor, Trainer und Sozial­arbeiter; Mitglied der Österreichischen Vereinigung der Supervisior:innen (ÖVS) und des Österreichischen Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG). Seine theatralen Schwerpunkte liegen im „Theater der Unterdrückten“ und dem Erzähl­theater/Storytelling.

Als AGB-Mitglied ist er im Lehrgang Theaterpädagogik (mit den Modulen Forumtheater, Zeitungstheater und Unsichtbares Theater) und im Lehrgang LSB (im Modul „Gender & Diversity“) tätig.

Im Jänner 2025 ist sein Buch „Ist Theater nur ein Spiel? Zur Wirksamkeit und zum Bedarf theaterpädagogischer Methoden in der Reflexionsarbeit mit Teams.“ erschienen.