Liebe lernen

In unserem Kulturkreis neigen viele Menschen dazu, ihre Liebesbeziehung zu überfordern. Je besser wir mit unerfüllten Wünschen zurechtkommen, umso eher gelingt die Beziehung.
Liebesbeziehungen wecken Bedürfnisse, die einander zum Teil widersprechen. Besonders herausfordernd sind Bedürfnisse des inneren Kindes, die in unserer eigenen Kindheit nur wenig erfüllt wurden. Es entlastet uns, wenn wir anerkennen, dass in uns Sehnsüchte „von damals“ wach werden können. Etwa der Wunsch nach elterlicher Fürsorge, nach bedingungsloser Liebe und nach Sicherheit. Eifersucht hat meist weniger mit Liebe zu tun als mit Sicherheitsbedürfnissen. Dies kann sich auch in einem typischen Widerspruch zeigen: Die eigene Eifersucht ist quälend, die der anderen Person wird als lästig empfunden, so wie ein Kind, das Fürsorge braucht, ohne gleichwertige Gegenleistung bieten zu können. Das Sicherheitsbedürfnis kann letztlich nur durch die individuelle Weiterentwicklung des Selbstwertgefühls entlastet werden.
Beziehungen werden immer in kulturellem Kontext gelebt. Wir sind geprägt von Illusionen einer idealisierten Liebe, wie auch vom Leistungsdenken, möglichst attraktiv und liebenswert zu sein. Wir sind beeinflusst von Vorstellungen, Liebende dürften sich nebeneinander nie einsam fühlen, Eltern zu werden sei ausschließlich wunderbar, Liebende wären zueinander immer 100 % wahrhaftig und würden alles teilen. All dies erschwert einen realistischen Umgang mit den Grenzen der geliebten Person. Offen über unsere Sehnsüchte, Ängste und Wünsche sprechen, kann das Dilemma der unerfüllten Bedürfnisse erleichtern.
Das Leben fordert uns heraus, mit offenen Wünschen klar zu kommen: Unser Liebesleben wird wesentlich von dem Versuch beeinflusst, Mangelerlebnisse aus der Kindheit zu kompensieren, insbesondere die Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe. Manche der Bedürfnisse, die wir an geliebte Personen adressieren, können wir selbst anderen auch nur ansatzweise erfüllen. Sinnvoll ist, achtsam zu sein für die Ansprüche des inneren Kindes,
• die geliebte Person möge (immer) verfügbar sein, wenn ich sie brauche,
• solle meine Wünsche erspüren und aus Liebe freudvoll erfüllen, ohne sich aufraffen zu müssen.
Liebesbedürfnisse sind zum Teil irrational und lassen sich nicht gut aushandeln. Erschwerend kommt dazu, dass kindliche Bedürfnisse Erwachsener oft abgewertet werden, obwohl diese völlig normal sind. Je mehr wir uns und unsere Liebe idealisieren, umso komplizierter und explosiver wird die Beziehung.
Lieben zu lernen bedeutet auch, Lebensfreude in Selbstfürsorge stärken: Wer lernt, für das eigene Wohlbefinden zu sorgen, wer auch außerhalb der Liebesbeziehung „Nährendes“ findet und dort gut „auftanken“ kann, wird viel eher damit klarkommen, dass die geliebte Person manche Wünsche nicht erfüllen kann. So überwinden wir die Vorstellung, andere müssten uns glücklich machen und können bewusst Abschied nehmen von der Vorstellung, in der Liebesbeziehung „alles“ zu bekommen. Liebe zu lernen kann bedeuten, die Aufmerksamkeit bewusst auch auf kleine Zuwendung zu lenken, auch gewohnte Beiträge für das gute Beisammensein anzuerkennen und dies auszusprechen.
Aus Selbstfürsorge gelingt uns, füreinander da zu sein, uns einzufühlen und einander liebevoll zu beschenken.
Mit Gedanken von Hans Jellouschek: Liebe auf Dauer, 2011
Bücher, Coaching, Seminare, Workshops für Persönlichkeitsentwicklung, Teamentwicklung, Beratungskompetenz, Konfliktlösung, Motivation.